Zoopädagogik - Wahrnehmung und Nutzung durch Biologielehrkräfte

Abstract

Die vorliegende Studie befasste sich mit der Fragestellung zur Ausbildung von Lehrkräften in den Grünen Berufen. Dieser Aufsatz thematisiert dabei die wesentlichen Aspekte der zoobezogenen Umweltbildung unter Berücksichtigung der Nutzungshäufigkeit von zoologischen Gärten und Zoopädagogen. Zur Erhebung der Daten wurde eine Online-Befragung niedersächsischer Lehrkräfte mit Genehmigung und in Abstimmung mit der Landesschulbehörde durchgeführt. Insgesamt kann festgestellt werden, dass zoologische Gärten zwar über die am besten bewerteten Pädagogen aller Einrichtungen verfügen, diese jedoch verhältnismäßig selten genutzt werden, obgleich diesbezügliche Themen im Unterricht am häufigsten behandelt werden. Ein Grund hierfür könnte in der Grundstruktur der Zoopädagogik und der Effektivität zoopädagogischen Handelns liegen.

 

Einführung

Im Rahmen eines mit der niedersächsischen Landesschulbehörde abgestimmten Projektes, entstand die vorliegende Arbeit. Ziel der Gesamtstudie ist die Erarbeitung von Ansätzen zur Ausbildung von Berufsschullehrern Grüner Berufe. In diesem Teil der Studie sollen insbesondere die Aspekte der Zoopädagogik betrachtet werden. Diese hat, als Teil der Biologiedidaktik, eine besondere Bedeutung für die gesamte Agrardidaktik. Aus den Bildungsansätzen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts entstand die moderne Zoopädagogik, welche wiederum in ihrem Grundsatz allgemeinbildende und berufsbildende Inhalte mit Aspekten der Entwicklungshilfe erfolgreich verknüpft (DITTRICH 2004, MBOGO 2006, O‘CONNER, RIGER und JENKINS 2006, KUNZE 2010, ANONYMUS 2012) und so zu den guten Ergebnissen der Abschlussprüfungen im Ausbildungsberuf Tierpfleger/Tierpflegerin - Fachrichtung Zootierpflege - beiträgt (STATISTISCHES BUNDESAMT Hrsg. 2013).

Diese Teilstudie behandelt die grundsätzlichen Fragen nach der Häufigkeit der Nutzung des Lernorts Zoo durch die Lehrkräfte, den unterrichtlichen Inhalten, der Arbeit von Lehrkräften im Lehrer-Zoopädagogen-Tandem sowie die Beurteilung der Zoopädagogen durch die Lehrerinnen und Lehrer des Unterrichtsfaches Biologie in Niedersachsen.

 

Planung

Insgesamt folgt die Studie einer Kombination aus qualitativen und quantitativen Ansätzen (BEMERBURG 2003, LEIBOLD und ROSENTHAL 2005, BEMERBURG 2006, JENKER 2007, LEDERER 2011, MOSCHNER und ANSCHÜTZ 2011, HEPPER 2014 a). Eines der wichtigsten Gütekriterien sollte daher eine Teilnehmerzahl sein, welche ein Konfidenzlevel von maximal 10% erlaubt (ZIMMERMANN et al. 2005, LUDWIG-MAYERHOFER 2006, DIEKMANN 2010). Die Zahl der Lehrkräfte, welche sich als „Biologen“ verstehen, kann in Niedersachsen auf circa 10.000 beziffert werden (MK NIEDERSACHSEN 2013). Da eine flächendeckende Erreichbarkeit gewährleistet werden sollte und um zeitsparend zu arbeiten, wurde eine Online-Befragung durchgeführt, eine Form der Befragung, welche von Lehrkräften scheinbar bevorzugt wird (ADM Hrsg. 2001, EICHHORN 2004, SCHOLZ 2006). In Hinblick auf die technischen Möglichkeiten ist davon auszugehen, dass etwa 7.500 Biologie-Lehrkräfte die Möglichkeit haben an dieser Form der Befragung teilzunehmen (MICHEL et al. 2008; BACHMAIER k. A.). Von diesen würden maximal 75 % an so einer Befragung teilnehmen (SCHOLZ 2006), jedoch sind 60 %, wahrscheinlicher (SCHOLZ 2006) was circa 4.500 potentielle Teilnehmer ergibt. In Hinblick auf das genannte Gütekriterium sollten mindestens 96 Befragungen durchgeführt werden.

Der Fragebogen wurde, gemeinsam mit einem kurzen Informationsschreiben, zunächst per Email an die Schulen, später an die Schulämter der Landkreise verschickt. Den Schulleitungen wurde hierbei eine Gatekeeperfunktion zugeordnet (HELFFERICH 2005, REINDERS 2012). Die Teilnahme war freiwillig und vollständig anonym. Bis zum Ende der Befragung konnten die Teilnehmenden ihren Beitrag löschen oder verändern. Die absolute Zahl sollte, ausgehend von qualitativen Ansätzen, bei mindestens 100 liegen, obwohl ein Grenzwert des Stichprobenfehlers von 10% bereits mit 96 erreichbar wäre (MAROTZKI 2003).

Ergänzend hierzu sollte die Struktur der Lehrerinnen und Lehrer die den Fragebogen ausfüllen, zum einem in Hinblick auf das Geschlechterverhältnis, zum anderen hinsichtlich der Verteilung über die Schulformen Grundschule, Haupt-, Real- und Oberschule, Gymnasium sowie Förderschule dem Erwartungswert entsprechen (MK NIEDERSACHSEN Hrsg. 2014). Für die Kontrolle erscheint ein Chi-Quadrat Test geeignet.

 

Ergebnisse

Insgesamt haben 179 Lehrkräfte an der Befragung teilgenommen. Der maximale Stichprobenfehler beträgt demnach 7,18%. Die gezogene Stichprobe entsprach, in Hinblick auf die Verteilung der Lehrämter (Freiheitsgrade = 4; Chi-Quadrat = 2,08; kritischer Wert = 9,49; Signifikanzniveau = 0,05) und der Geschlechter (Freiheitsgrade = 1; Chi-Quadrat = 1,29; kritischer Wert = 3,84, Signifikanzniveau = 0,05) den Erwartungswerten. Die Studie könnte damit als repräsentativ angesehen werden.

 

Zunächst wurden die Lehrkräfte anhand eines von mir erstellten Katalogs befragt, welche Themen diese im Unterricht behandeln. Die darin enthaltenen Items entstanden aus Gesprächen mit allgemeinbildenden Kolleginnen und Kollegen (n = 18) und im Dialog mit Experten für Umweltbildung ausserschulischer Lernorte (n = 6).

Die Ergebnisse zeigen recht deutlich, dass Säugetiere den Schwerpunkt des unterrichtlichen Alltags bestimmen in Kombination mit klassischen Heimtieren, wie Hunden und Katzen. Lediglich jede zweite Lehrkraft behandelt das Thema Vögel, Wildtierökologie sowie Insekten und Spinnen im Unterricht, wohingegen jeder dritte Lehrende artenschutzfachliche, tier- und pferdewirtschaftliche Unterrichtsaspekte aufgreift. Selten, durch jeden fünften Pädagogen der Biologie, werden Themen bezüglich Aquaristik oder alten Nutztierrassen thematisiert. Es sind demnach Strukturen zu erkennen, welche von der Auswahl der Flagschiffarten bekannt sein könnten. Die Lehrkräfte scheinen Tierarten zu bevorzugen, die den Lernenden biologisch näher stehen, einen besonderen Charme haben oder gegebenenfalls den eigenen Interessen entsprechen.

Grafik 1: Antworthorizont auf die Frage „Welche Relevanz hat das Thema XY in Ihrem Unterricht?“; Mehrfachnennungen möglich, Angaben in Prozent.

 

Betrachten wir die Nutzungsintensität, so fährt jeder zweite Lehrende in Niedersachsen, im Rahmen des Biologieunterrichts, in eine tiergärtnerische Einrichtung. Beachtenswert ist hierbei, dass unter den frei zugänglichen Lernorten, namentlich Wald, Agrarlandschaft und Gewässer, der Wald überproportional häufig vertreten ist. Der Grund für die recht seltene Nutzung von Tiergärten könnte darin gesehen werden, dass nicht alle Schulen in Niedersachsen flächendeckend und unproblematisch einen Zoo erreichen können.

Grafik 2: Antworthorizont auf die Frage „Wie oft nutzen Sie die folgenden Lernorte pro Jahr im Biologieunterricht?“; Mehrfachnennungen möglich, Angaben in Prozent. Kategorien Häufig = 3+, Gelegentlich 1-2 mal pro Jahr.

 

Weiterhin interessant ist der Umstand, dass Bauernhöfe erwartungsgemäß fast niemals ohne den jeweiligen Lernortpädagogen und im Wald überwiegend Förster oder zertifizierte Waldpädagogen genutzt werden. Im Zoobereich wiederum kombiniert etwa eine von vier Biologielehrkräften einen  Besuch mit der Nutzung eines Lernortpädagogen. Dies dürfte insgesamt nicht alle Klassen betreffen, welche einen Zoo oder einen Wildtierpark besuchen, da diese Arbeit explizit die Lehrerinnen und Lehrern der Biologie und deren Nutzung von Lernorten untersucht.

Grafik 3: Antworthorizont auf die Frage „Wie oft nutzen Sie pro Jahr die folgenden Lernortpädagogen?“; Mehrfachnennungen möglich, Angaben in Prozent. Kategorien Häufig = 3+, Gelegentlich 1-2 mal pro Jahr.


Unter den Lernortpädagogen ist der Zoopädagoge (8,94 kennen diese Form der Pädagogen beziehungsweise des Angebots nicht), nach dem Museumspädagogen (5,03% kennen diese Form der Pädagogen beziehungsweise des Angebots nicht) der Bekannteste. Aus diesem Grund könnte eine Beurteilung als grundsätzlich fachkompetent durch die Biologielehrkräfte eingestuft werden.

Es ist augenfällig, dass in Hinblick auf die vorhandenen Kompetenzen den Zoopädagogen in Niedersachsen durchschnittlich eine sehr hohe Kombination aus fachlicher und pädagogischer Kompetenz bescheinigt wird. Diese Beurteilung ist gegenüber dem Durchschnitt aller Lernortpädagogen hochsignifikant (Chi-Quadrat; Prüfwert 19,567; Freiheitsgrade = 5; Signifikanzniveau 0,05) und stellt zugleich die höchste Signifikanz der gesamten Studie dar. Der Zoopädagoge scheint demnach der insgesamt kompetenteste Lernortpädagoge zu sein.

Grafik 4: Gründe für die Nutzung von Lernortpädagogen; Mehrfachnennungen waren nicht möglich, Angaben in Prozent.

 

 

Diskussion

Vor dem Hintergrund der Studie fällt auf, dass, verglichen mit den gleichermaßen kostenpflichtigen Angeboten der Wald- und Bauernhofpädagogik, verhältnismäßig wenig Lehrkräfte Zoopädagogen nutzen. Waldbezogene, dendrologische Artenkenntnisse und Unterrichtsthemen werden im gleichen Maße unterrichtlich behandelt, wie solche der Säugetierkunde. Dennoch findet nicht in der selben Frequenz eine Nutzung der Lernortpädagogen statt. Dies könnte darin begründet sein, dass weniger Zoopädagogen zur Verfügung stehen, als tatsächlich benötigt werden oder der finanzielle Aufwand eines Zoobesuchs höher ist, als bei anderen Angeboten. Andererseits bemerkt man im Gespräch mit Lehrkräften, dass sich diese an den Lernorten Wald und Bauernhof nicht so sicher fühlen und es schwerer haben eigenständig Unterrichtseinheiten zu planen. Die große Stärke der Zoopädagogik liegt im ganzheitlichen Ansatz, der früh berücksichtigte, dass durch Führungen und andere Unterrichtsveranstaltungen nicht alle Zoobesucher erreicht werden können, weswegen die Tiergärten erhebliche Anstrengungen unternehmen, eine fachgerechte und pädagogisch sinnvoll aufbereitete Beschilderung, ausgehend von den „Hediger-Tafeln“ der 50er Jahre,  zu implementieren, welche den Lehrkräften eine eigenständige Unterrichtsplanung ermöglichten könnten (PIES-SCHULZ-HOFEN 1992, DOLLINGER 2011). Dies könnte gegebenenfalls ein Indikator für den Bildungserfolg zootierbezogener Bildung sein, dass die heutigen Lehrkräfte diesbezüglich so sicher sind, dass sie keinen Experten für das Erreichen der Unterrichtsziele benötigen. Hier ist ein weiterer Forschungsbedarf indiziert.

Insgesamt bietet die Studie jedoch auch den möglichen Entwicklungshorizont der Integration von bauernhof- und waldbezogener Inhalte in die Zoopädagogik sowie den Besuch von Zoopädagogen in Schulen. Aus den Daten geht hervor, dass lediglich 3,35 % der Biologielehrkräfte in ein Tierheim fahren, um dort Unterricht zu gestalten, jedoch 7,26 % einen Tierschutzmitarbeiter nutzen. Im Dialog gaben die Lehrkräfte an, dass für bestimmte Themen rund um die Haltung von Tieren Tierpfleger, Veterinäre und Hundetrainer an die Schulen geholt werden, um dort eine Unterrichtsstunde zu gestalten. Gegebenenfalls wären hier nordamerikanische Modelle der mobilen Zoos als ein weiterer Ansatz der Zoopädagogik denkbar (MARYLAND Zoo Hrsg. 2014, OAKLAND ZOO Hrsg. 2014). In Bezug auf die Waldpädagogik wiederum bieten zoologische Gärten, welche über tropische Baumarten in die entsprechenden Tierhäuser integriert haben, einige interessante Aspekte, welche ein Forstamt alleine vermutlich nicht zu leisten vermag. Ähnliches könnte ein Zoo-Bauernhof, mit alten aber auch exotischen Nutztieren, leisten.

 

Betrachtet man die einschlägigen Formate im Fernsehen, so erweckt es den Anschein, dass das, was früher der Förster im Heimatfilm war, heute die Sendungen über zoologische Gärten sind. In den unterrichtlichen Themen finden sich zoobezogene Inhalte im selben Maß wie forstliche Themen, was als sehr gut angesehen werden könnte. Dennoch ist die Nutzung der Lernortpädagogen bei weitem nicht in dem Maße vorhanden, wie dies in der Waldpädagogik umgesetzt wird, was in künftigen Studien geklärt werden sollte. Grundsätzlich wird die Kompetenz von Zoopädagogen in Niedersachsen durch die Lehrkräfte als sehr hoch angesehen, wobei hier die Kombination aus fachlicher und pädagogischer Handlungskompetenz hervorgehoben werden muss.

 

 

Literaturverzeichnis

(Auszug: das gesamte Verzeichnis ist über den Autor erhältlich)


DITTRICH, L. (2004) Zootierhaltung – Tiere in menschlicher Obhut – Band I – Grundlagen; Verlag Harri Deutsch, Frankfurt am Main.

 

DOLLINGER, P. (2011) Gehegeschilder; auf zoodirektoren.de, Stand 13. August 2014.

 

KUNZE, J. (2010) Einsatz der Methode Lernen durch Lehren in alters- und stufenhomogenen und heterorgenen Lerngruppe der Berufsschule im Ausbildungsberuf „Tierpfleger/Tierpflegerin“ Fachrichtung „Zootierpflege“; Examensarbeit, Hildesheim.

 

LEHMANN, I. (2005) Wissen und Wissensvermittlung im ökologischen Landbau in Baden-Württemberg in Geschichte und Gegenwart; Sozialwissenschaftliche Schriften zur Landnutzung und ländlichen Entwicklung Nr. 62, Margraf Verlag.

 

MBOGO, D. (2006) From Wildlife legislation to community awareness and mobilization; in IZEA Journal 2006, auf www.izea.net, Stand 27. Juni 2013.

 

O‘CONNOR, T., RIGER, P. und JENKINS, R. (2006) Promotiong Fruit Bat conservation through education in Madagascar; in IZEA Journal 2006, auf izea.net, Stand 27. Juni 2013.

 

PIES-SCHULZ-HOFEN, R. (1992) Die Tierpflegerausbildung; Paul Parey Verlag, Berlin.

 

REINDERS, H. (2012) Qualitative Interviews mit Jugendlichen führen - ein Leitfaden; Oldenbourg-Verlag München.

 

SCHMECHEL, D. (2008) Neue waldpädagogische Praxishilfe unterstützt Lehrerfortbildungen; LWF aktuell 64, S. 28-29.

 

SCHOLZ, S. (2006) Online-Befragungen an der Universität: Teilnahmebereitschaft, Nonresponse und Adresspoolbeitritt am Beispiel Bremer Studierender; auf emphas.uni-bremen.de, Stand 13. Juli 2014.

 

WALDER, F. (2002) Der Schulgarten in seiner Bedeutung für Unterricht und Erziehung - Schulgartengestaltung vom Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus; Klinkhardt Verlag, Rieden.

 

ZOGBAUM, M. (2008) Waldpädagogik & Nachhaltigkeit - Entwicklung einer Holzerlebniswelt mit der waldpädagogischen Kernbotschaft Nachhaltigkeit am Standort Baruth (Mark); Diplom-Arbeit – Potsdam.